Arbeitsblatt IRONIE
Die feine ironische ART
von Eike Christian Hirsch
(Stern 12/1981)

Der große Sokrates soll gesagt haben: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Dieser Ausspruch ist bekannt, weniger bekannt ist, dass Sokrates sehr ironisch war und sich gern verstellte. Dieser weise Mann mit der Knollennase gilt sogar als der Erfinder der Ironie. Was ist Ironie?

Gewöhnlich sagt man: „Wer ironisch ist, meint das Gegenteil von dem, was er sagt.“ In diesem Sinne sagt man heute: „Das ist ja noch schöner!“ Und die Leute sagen zu mir: „Herr Hirsch, Sie können so bleiben!“ Allerdings ist das nur die landläufige Ironie, die bessere sagt nicht das platte Gegenteil.

Das können wir am Geständnis des weisen Sokrates sehen. Seine Worte „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ sind weder wörtlich zu nehmen noch sind sie unwahr. Seine Worte schillern. Einerseits tut der Philosoph recht bescheiden, andererseits deutet er an, dass er so wissend ist, dass er sogar die Grenzen des Wissens kennt.

Die Ironie, von Sokrates erfunden, ist vielen von uns zur zweiten Natur geworden. Man kann sich damit spöttisch von seinen eigenen Worten distanzieren. Dann nennt man einen Fußballprofi mit hohem Einkommen einen „balltretenden Geldschrank“ und eine feine Dame im Cafe ein „kuchenfressendes Pelztier“. In diesem Sinne heißt dann der spanische Thron „eine der wackeligsten Sitzgelegenheiten Europas“.

Der französische Schriftsteller Anatole France sagte einmal bitter: „In dieser vollkommen gerechten Welt haben reich und arm gleichermaßen das Recht, unter Brücken zu nächtigen.“

Besonders amüsiert hat mich ein ironisches Gedicht aus der Zeit um 1900. Karl Rode, ein Oberleutnant zur See, hat darin die kaiserliche Familie auf ihrer Luxusyacht dargestellt.

„Was steigt denn da für'n schwarzer Qualm am Horizont empor? Das ist des Kaisers Yacht, die stolze Meteor. Der Kaiser steht am Steuerrad, Prinz Heinrich lehnt am Schlot, und hinten schwingt Prinz Adalbert die Fahne Schwarzweißrot. Und achtern, tief in der Kombüse, brät Speck Viktoria Luise. Ein Volk, dem solche Fürsten steh'n, da hat es keine Not, Deutschland kann niemals untergeh'n, es lebe Schwarzweißrot! So steh'n wir um des Thrones Stufen und halten ihn in Treue fest und sind bereit, Hurra zu rufen, wo es sich irgend machen lässt.“

Die kaiserliche Idylle ist ja an sich nicht boshaft geschildert, auch kann man vermuten, dass der Oberleutnant zur See gelegentlich selbst „Hurra!“ ruft. Aber diese Formulierung „und sind bereit, Hurra zu rufen, wo es sich irgend machen lässt“, ist doch ein herrlich faules Ei, finde ich.

Zum Schluss noch eine Anekdote, die wohl eine wahre Geschichte ist. Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, musste im Jahre 1938 als alter Mann seine Heimatstadt Wien verlassen, weil dort mittlerweile die Nazis herrschten. Die Ausreise wurde ihm unter der Bedingung gestattet, dass er eine Erklärung unterschrieb, in der es hieß: „Ich, Professor Freud, bestätige hiermit, dass ich von der Gestapo mit Achtung und Rücksicht behandelt wurde und nicht den geringsten Grund zu einer Beschwerde hatte.“

Als der Nazikommissar mit dem Dokument kam, war Freud bereit zu unterschreiben. Er fragte aber, ob er noch einen Satz hinzufügen dürfe, und schrieb: „Ich kann die Gestapo jedermann aufs beste empfehlen.“