KEINE BS-ERDE ...
   
 
  Wie die Bundestagsabgeordneten der Region es mit dem umstrittenen Kunstprojekt von Hans Haacke für das Parlamentsgebäude halten
Keine Braunschweiger Erde für den Berliner Reichstags-Trog?
Von Kerstin Wintermeyer
 
Die knappe Entscheidung fiel im Parlament gegen den Antrag der Christdemokraten aus: Das Holztrog-Projekt des Künstlers Hans Haacke im Reichstagsgebäude wird verwirklicht. Schwer tun sich die Parlamentarier mit dem Konzept des mit "Der Bevölkerung" überschriebenen Kunstwerks, in das alle 669 Parlametarier je einen Zentner Erde aus ihrem Wahlkreis einfüllen sollen. Werden sich die Abgeordneten aus der Region an einem "passiven Widerstand" beteiligen, oder werden sie Heimaterde in Berlin abliefern"? Jedenfalls keine aus Wolfsburg und Helmstedt, denn "von einem Kunstwerk lasse ich mich nicht vereinnahmen", erklärte CDU-Abgeordneter Heinrich-Wilhelm Ronsöhr. "Auch wenn die Freiheit der Kunst wichtig ist." Gegen das Haacke-Projekt hat sich Ronsöhr auch deshalb im Bundestag ausgesprochen, "weil ich Kritik an den Erläuterungen Haackes habe". Eine national überzogene Anhäufung von Erden sei als Kunstform außerdem überholt; spätestens seit der Anordnung an die Gauleiter, Heimaterde zu den Olympischen Spielen 1936 mitzubringen. Das ist, neben ästhetischen Ansprüchen, auch das Hauptargument der Braunschweiger CDU-Abgeordneten Prof. Dr. Erika Schuchardt. "Ich freue mich, dass auch Vertreter der Regierungspartei gegen das Projekt gestimmt haben." Ob sie Erde beisteuere, werde sie jetzt bei einer Diskussion mit den Parteifreunden in Brauschweig "neu überdenken". Dr. Hans-Georg Faust, CDU-Abgeordneter aus Goslar, hält eine "Beurteilung der Kunst nicht für die Sache der Politik, sondern für die der Fachleute". Mit dem Antrag seiner Partei gehe er aber konform, sagte Faust. Den hatte Jochen-Konrad Fromme, CDU-Abgeordneter aus Wolfenbüttel/Salzgitter, mitinitiiert. "Die Symbolik ist meines Erachtens nach vollkommen überholt", sagte Fromme. "Ich werde konsequent bleiben, und keine Erde aus meinem Wahlkreis in den Kübel kippen." Steine aus dem Harz könne er beisteuern, erklärte Dr. Peter Eckardt (SPD) schmunzelnd. An dem Projekt werde er sich jedenfalls nicht beteiligen. 
 
  Contra: Jochen-Konrad Fromme. - Pro. Wilhelm Schmidt Fotos:oh
 
Ein Freund des Haacke-Projekts sei er auch nicht, sagte Wilhelm Schmidt. "Ich bringe tonnenweise Stahl aus Salzgitter mit, um es zuzuschütten", witzelte der SPD-Abgeordnete. Schmidt hat aber nicht nur für das Kunstwerk gestimmt, sondern im Parlament mit einer persönlichen Erklärung Überzeugungsarbeit geleistet, "um eine Mehrheit herbeizuführen, weil wir im Grundsatz der Überzeugung waren, dass nicht jede Kunstentscheidung über den Bundestag herbeigeführt werden sollte". Die Braunschweiger SPD-Abgeordnete Carola Reimann will sich an dem Projekt nicht beteiligen, wenn sie auch das Kunstwerk, wie ihre Braunschweiger Parteifreundin Leyla Onur, nicht abgelehnt hat. "Ich werde keine Erde mitbringen", sagte Reimann. "Mir gefällt diese Bodensymbolik nicht." Das sei aber eine Frage des künstlerischen Gefallens, keine politische Bewertung, betonte Reimann. "Die Entscheidung des Kunstbeirats hätte akzeptiert werden müssen." Das sieht auch Hubertus Heil so. Der SPD-Abgeordnete aus Gifhom/Peine hat gegen den Antrag, der CDU gestimmt, "weil ich Kunstdebatten im Bundestag für überflüssig halte". Insgesamt sei die Debatte aufgebauscht worden, bedauerte Heil. "Mein Geschmack ist diese Erden-Geschichte nicht." An der Krume seines Wahlkreises will er sich trotzdem zu schaffen machen, um Heidesand und Bördeboden nach Berlin zu bringen. Bliebe nur die Frage, so Heil lachend, "ob ich das nach meinem Mandat wieder mitbringen muss".
  Braunschweiger Zeitung, 08. April 2000
17.09.2015

 

ZURÜCK