KEINE ERDE ...
   
 
  Fromme und Schmidt: Keine Erde für Berlin
  Wolfenbüttels Bundestagsabgeordnete
sprechen sich gegen Aktionskunstwerk im Reichstagsgebäude aus
 
WOLFENBÜTTEL (tst) Die hiesigen Bundestagsabgeordneten Wilhelm Schmidt (SPD) und Jochen-Konrad Fromme (CDU) werden keine Wolfenbütteler Erde für das Aktionskunstwerk "Der Bevölkerung" des Künstlers Hans Haacke ins Berliner Reichstagsgebäude schaffen.
Auf Anfrage lehnten sie in gesonderten Erklärungen ihre Beteiligung ab. Im Bundestag hatte Schmidt zwar zunächst noch grundsätzlich für das Kunstwerk gestimmt, mittlerweile aber habe er eine ablehnende Haltung eingenommen.
-"Völlig falsche Ideologie"-
Fromme kritisierte, das Aktions-Kunstwerk knüpfe an eine "völlig falsche Ideologie" an: "Das Sammeln von Erde aus allen Teilen des Reiches wurde früher aus Anlass der Krönung von Kaisern und Königen vollzogen und erfolgte bislang letztmalig durch die Nationalsozialisten zur Olympiade 1936." Vor einem solchen geschichtlichen Hintergrund lasse sich eine derartige Aktion nur rechtfertigen, wenn sie von breiter Mehrheit getragen und mit einem neuen Inhalt versehen werde.
"Gerade dies war aber beim Haacke-Denkmal nicht der Fall", sagte Fromme, "in einer namentlichen Abstimmung erreichte das Kunstprojekt nur eine ganz knappe Mehrheit quer durch die Fraktionen - dies ist gerade keine Basis, auf der eine solche Bewusstseinsänderung dokumentiert wird."
Schmidt betonte, er habe schon zu Beginn dieses Unterfangen seine Skepsis zum Ausdruck gebracht. "Der weit überwiegende Teil der von mir befragten Menschen im Wahlkreis hat sich ebenfalls kritisch und ablehnend geäußert."
Am Anfang stand die Idee des Künstlers, die nach seiner Auffassung ausgrenzende Inschrift über dem Westportal des Reichstagsgebäudes ("Dem Deutschen Volke") mit dem von ihm gewählten Text zu relativieren. Daneben sollte Erde aus allen Wahlkreisen die Gemeinsamkeit unterstreichen, die Haacke in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gestellt hatte.
- Kunst-Debatte deplatziert -
In der Debatte allerdings, so Schmidt, "wurde von mehreren Seiten ein nationalistischer Ansatz hereingebracht, der nicht akzeptabel ist". Auch eine Auseinandersetzung darüber, dass schließlich das Parlament darüber zu entscheiden habe, was als Kunst im parlamentarischen Raum zu gelten habe und was nicht, befand der Salzgitteraner Abgeordnete als "deplatziert". In der Grundsatzdebatte des Bundestags über die Haacke-Kunst habe Schmidt dafür gestimmt, dass ein solches Werk entstehen solle, zugleich aber habe er auch seine Zweifel an der inhaltlichen und künstlerischen Wirkung zum Ausdruck gebracht. "Natürlich hätte man sich vorstellen können, Heimaterde mit Symbolik aus Wolfenbüttel mit nach Berlin zu nehmen - zum Beispiel vom Gelände der früheren jüdischen Synagoge, von der Hinrichtungsstätte in dern Justizvollzugsanstalt, vom Schacht Asse, von der Herzog-August-Bibliothek oder von den schönen Flecken der Freizeitgestaltung", meinte Schmidt. Dennoch fühle er sich in seiner Ablehnung bestätigt. Denn man hätte bei einer völligen Öffnung des Begriffs "Dem Deutschen Volke" nicht nur auf Erde aus deutschen Wahlkreisen zurückgreifen sollen, sondern auch aus anderen Ländern der Welt. Schmidt ist ferner der Auffassung, dass das Reichstagsgebäude Standort eines "Arbeitsparlaments" sei und daher ohnehin für solche symbolischen Akte wenig Raum gebe.
  Braunschweiger Zeitung - Wolfenbüttler Lokalteil Montag, 7. Mai 2001
16.09.2015

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