ZUR ARBEIT IN DER AUSSTELLUNG BLAST TO FREEZE KUNSTMUSEUM WOLFSBURG
Informationen zur Ausstellung
Die Schau und ihren Titel beleuchtet Martin Jasper kurz in einem Artikel zur Eröffnung:
... " Der Auftakt zum Beispiel: Ein ungemein modern anmutendes, aggressives Mensch-Maschine-Wesen, ein vogelköpfiger, magersehniger Roboter, der mit einem riesigen Pressluftbohrer beinahe zusammengewachsen zu sein scheint. Jacob Epstein schuf diese Plastik im Jahre 1913. Hier deutet sich eine Modernität auf der britischen Insel an, die - angeregt von Futurismus und Kubismus - zu einem Stil führt, der den Menschen zum Funktionsteilchen einer übermenschlichen, anonymen Apparatur entfremdet.

Vertreter dieser frühen englischen Moderne - Künstler um Wyndham Lewis, [...] haben die Zeitschrift "Blast" herausgegeben, was so viel heißt wie Explosion. So umgreift der Titel "Blast to Freeze" der Wolfsburger Schau mit mehr als 350 Werken von über 100 Künstlern den Zeitraum zwischen zwei künstlerischen Revolutionen.

"Freeze" (Einfrieren) war nämlich der Titel jener provozierenden, bilderstürmerischen Schau, die der nachmalige Superstar der jungen britischen Kunst, Damien Hirst, 1988 in den heruntergekommenen Londoner Docklands organisierte.

Zwischen diesen beiden Polen, das macht die Mega-Schau anschaulich, gibt es Wellenbewegungen. Nach dem furiosen "Blast"-Auftakt folgt manch Epigonales in der englischen Kunst des 20. Jahrhunderts. In den Bildern aus dem ersten Weltkrieg herrscht ein biederer Realismus, der Vergleiche mit Dix oder Grosz nicht aushalten würde." ...
Q: Vom Pressluftbohrer zum Rosenbeet, Braunschweiger Zeitung, 13.09.2002 (Zur Ausstellungseröffnung)

Durchwandert man die Ausstellung auf dem angelegten Weg, springen kräftige Beschriftungen ins Auge, zeitlich klar bemessen, bis auf eine Ausnahme dekadisch gerundet. Vielleicht soll die plakative Betonung die grobe Segmentierung ironisch in Frage stellen. -
Die Abfolge der Kapitel wird hier vorgestellt, ohne dass sie Einfluss auf die weiteren Ausführungen genommen hätte:

1910-1920 VORTIZISMUS, DER ERSTE WELTKRIEG UND SEINE NACHWIRKUNGEN
1920-1940 PRIMITIVISMUS, ABSTRAKTION UND SURREALISMUS
1940-1950 ZWEITER WELTKRIEG, ISOLIERUNG UND EXISTENZNÖTE
1950-1960 SCHÖNE NEUE WELTEN, ABSTRAKTION UND ÄSTHETIK DER FÜLLE
1960-1965 POP, OP UND HARD EDGE
1965-1980 GEGENKULTUR UND DIE "NEUE KUNST"
1980-1990 MALEREI, OBJEKTE UND INSTALLATIONEN (Q: Katalog Kunstmuseum. 49,80€)

Natürlich ist obige Einteilung nützlich, wenn man sich Übersicht verschaffen möchte, was es denn so alles in dem gesteckten Rahmen geben mag. Für die direkte Auseinandersetzung mit Bildkunst zählt jedoch das einzelne Werk, wenn man annimmt, dass Kunst zuerst und unmittelbar erlebt sein will. In diesem Sinn wiederhole ich, dass auf diesen Seiten stets Einzelwerke berücksichtigt werden. Ihre jeweilige Befragung führt erst später zu Verknüpfungen unterschiedlicher Bedeutungen, die individuell entdeckten worden sind.
Der umgekehrte Weg, über Wissensdaten kunstgeschichtlicher Zusammenhänge in die Ausstellung einzutauchen, wird von mir nicht erwogen oder gewollt, weil die Beobachtung, was denn ein bestimmtes Werk in mir selbst auslöst, sich zu einer eigenen Erfahrung herausbilden muss. Aneignung des Künstlerischen und die Wahrnehmung seiner Unterschiede können nicht erzählt werden. Dies geschieht am besten nur, wenn der Be-sucher am Einzelstück und nicht mit vorgegebenen Zielen beginnt. So spreche ich mich für das Lernen an und mit Kunst aus, Irritation und ausdrücklich das Nichtgewusste gehören natürlich dazu!