GYMNASIUM IM SCHLOSS WOLFENBÜTTEL  Ausstellung Von Stockhausen 12 LK
Rainer Randig - KU 12L2  2003/04/1

Klausur in anderer Form 06.12.03

 

Kursthema: „PFLASTER-STEINE AUF DEM WEG ZUR KUNST“
Klausurthema: „Realkunst als Steinbruch“
KOMBINIERTE LangzeitARBEIT MIT PRAKTISCHEM SCHWERPUNKT

VORGESCHICHTE:
Bildpraxis „Gebrochenes Bild eines Gegenstandes“+ Fischl-Ausstellung Kunstmuseum Wolfsburg + Vergleich Eric Fischl - Neo Rauch + Bildpraxis „Szene aus dem eigenen Familienalbum in einer räumlichen (Traum-)Kulisse“, Acryl auf transparenten Papieren, Folien und PapierA2

AUFGABENSTELLUNG:
— Besuche die Ausstellung Friedemann von Stockhausen (23. November bis 30. Dezember 2003) im Kunstverein Wolfenbüttel e. V.
Reichsstraße 1, 38300 Wolfenbüttel
Di-Fr 16-18 Uhr, Sa-So 11-13 Uhr
— Nimm diese Aufgabe mit Anlage, Bleistift und Skizzenpapier mit.
Betrachte die ausgestellten Bilder und lies in den Ausstellungsräumen zweimal das Gedicht „Bedeutungsspiele“(> ANLAGE). Dieses Gedicht hat der Künstler zur Eröffnung seiner Ausstellung vorgetragen.
— Nimm dir Zeit!

SCHRIFTLICHER AUFGABENTEIL (in der Ausstellung):
1. Schildere in dieser außerschulischen Situation deine Einfälle und Gedanken, die sich aus der Gegenüberstellung von Gedicht und Bildern assoziativ oder grübelnd ergeben.
Gehe auch auf mögliche Irritationen und Schwierigkeiten ein.
(Folgender Trick kann deine Arbeit erleichtern und Gedanken erneut in Fluss bringen: Setze dich entgegen allgemeiner Gewohnheit in die Raummitte auf den Boden, schließe deine Augen (!) und versuche in Ruhe die Bilder wahrzunehmen!)
2. Vergleiche, wie beide Künstler (Von Stockhausen und Wirpsza) mit üblichen Vorstellungsbildern umgehen. Zerstören sie Bilder, prüfen sie bestimmte Bilder, erinnern sie an vergessene Bilder, helfen sie, neue Bilder hervorzubringen, verhindern sie Bilder?

PRAKTISCHER AUFGABENTEIL (Hausarbeit):
3. Im linken Nebenraum hängen eine Reihe von Zeichnungen. - gestalte ein eigenes Bild in gleicher Formatgröße! Arbeite aber im Gegensatz zu Friedemann von Stockhausen nicht mit Kreide oder Kohle, sondern mit Pinseln und einer einzigen (!) Acrylfarbe.

HINWEISE:
- Halte die Reihenfolge der vorgegebenen Arbeitsschritte ein.
- Plane deine Arbeit sinnvoll bis zum Abgabetermin! Beachte die Öffnungszeiten, das Ende der Ausstellung und die Weihnachtsfeiertage!
- Gewichtung der Aufgabenteile: 2/3 Praxis - 1/3 Text.
- Begründe und belege Deine Feststellungen und Meinungen gewissenhaft.
- Die schriftlichen Ausführungen auf Papier A4 : Reserviere jeweils rechts einen Korrekturrand, kennzeichne jedes Blatt mit Deinem Namen und fortlaufender Seitenzahl!
- Falls du dich bei deiner Arbeit auf andere Kunstwerke oder Textquellen beziehst, sind diese wie üblich zu benennen!

MATERIALIEN:
- Gedicht „Bedeutungsspiele“ von Withold Wirpsza, 1957 (ANLAGE)
- Schreibgerät und Papier A4
- Acrylfarbe, Papier in der Formatgröße der ausgestellten Zeichnungen

Abgabetermin: Montag, 07.01.2004 (1. Schultag nach den Ferien !)

Noch Fragen? Dein Lernservice rund um die Uhr: r.randig@versus-wf.de

Zeichnungen im linken Nebenraum, Kunstverein Wolfenbüttel 

 
ANLAGE 
WITOLD WIRPSZA

Bedeutungsspiele

Auster des Optimismus
Dieses Dauern der Gattungen ist unerträglich.
Affen, die seit Millionen von Jahren
Müde Mäuler und verlängerte Hände zeigen
Und sich bewegen, hüpfen, sich schaukeln, -wiegen,
Unerfahren gebliebene Denkmäler für Flöhe.
Ameisen, welche die Art bewahren, sonst nichts,
Sich nähren, Vorräte sammeln, kämpfen, sonst nichts,
Einzig deshalb, um in den Kinnladen
Weiße, ovale Larven zu tragen und sie ins Endlose zu vermehren.
Unerträglich.

Blumen, prachtvolle, sagt man, stolze,
Bescheidene, unscheinbare, sagt man, zarte,
Dieser ganze zum Saugen dienende Galimathias von Wurzeln,
Vegetatives System, das schmarotzt an Mineralien,
Schmetterlingen, Bienen, Kolibris, am Wasser,
Das Ornamente ausscheidet wie Speichel und Galle,
Das menschliche Auge zur Hübschheit erzieht,
Also zum Gleichmut und zur Verachtung.
Unerträglich.

Gedankenlose Flüsse und Seen,
Bewegte und bewegungslose Sammelbecken von Flüssigkeiten,
Wohllaut sanfter Kurven und gezähmter Ufer
Am Sande, im Wiesengrün, in der Verzauberung der Wälder,
Belästigt
Erdrückt mit Behagen oder Verirrung
Oder brüllt / sie horchen auf /, donnert / sie horchen auf /,
Treibt Steine, Sand, Wälle von Eisschollen,
Versetzt in Staunen, Erstarren, ruft
Stumpfes Lächeln hervor auf den entzückten Gesichtern.
Unerträglich.

Wuchernde senkrechte Formung,
Das heißt Felsen, Engpässe, Klüfte, Gipfel,
In schrecklicher Unordnung, die Angst auslöst
Unter Sternen und mit dem endlosen Raum
Mit der erhabenen Drüse der Ohnmacht
Und der sekretorischen Metaphysik.
Unerträglich.

Und danach kommen die mit sich selbst maßlos zufriedenen Gestalten
Und sagen: - Wir wissen, wir wissen es,
Wir haben die Gesetzmäßigkeiten erkannt, den philosophischen Stein
Wie eine Auster zu uns genommen, verschlungen.
Es piepste zwar los im Hals,
Doch wir spülten mit kühlem Wein des Rationalismus nach
und jetzt wissen wir. Wir wissen
Wie sich die Natur entfalten muss, damit sie edel sei,
Und wie die Menschheit sich entfalten muss, damit sie glücklich sei. -
Sie taumeln trunken vom üblen Likör der Einbildung,
Mit aufgeblähtem Bauch / von der optimistischen Auster/.
Mit der Klarheit des Denkens, die die Augen ausbrennt
Und die Phantasie gefrieren macht.
Optimismus, Glück, Engeltum, wiedergewonnenes Paradies.
Unerträglich.

Und hier sind die Sanften und die Traurigen.
Sie löschen die Flamme der Begeisterung,
Plagen niemanden,
Suchen nach Verstehen und Verständnis,
Lächerlich und lächerlich gemacht,
Befürchten weder das noch jenes.
Mutig.

Aber wie lange wird man ihre Gegenwart
Ertragen können?
Und was, wenn sie sich vermehren?
Zu Dutzenden von Millionen
Wären sie ebenso
Unerträglich.

1957. Übertragen von Karl Dedecius (dtv 196? Polnische Lyrik)
Friedemann von Stockhausen las dieses Gedicht zur Eröffnung seiner Ausstellung
im Kunstverein Wolfenbüttel 23. 11. 2003.

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