Gegen Ende des Jahrhunderts führt jedoch gerade die Beobachtung
des Beobachtungsvorgangs zum Impressionismus, führt zur Erkenntnis,
dass die äussere Erscheinung der Dinge flüchtig, das heisst
von den verschiedensten Einflüssen (wie z. B. von der Beleuchtung
bei wechselnden Sonnenstand) abhängig ist.

46. Munch
Mit der Überwindung des Impressionismus,
der sich - fast möchte
man sagen: bescheiden - mit der nicht mehr in irgend einer Richtung
idealisierten Wiedergabe des reinen Erscheinungsbildes begnügt,
setzt jene Kunst der neuesten Zeit ein, von der wir in der Einleitung
gesprochen haben und deren allgemeinstes Charakteristikum ihr kritischer
Aspekt ist.

47.Hierarchische Barockarchitektur
Jede
Kunst spiegelt eine Weltvorstellung und -Wertung. In den eben kurz
angesprochenen Epochen gab es Vorstellungen, die als Übereinkünfte
allen bekannt und von den meisten Künstlern bejaht wurden; es
gab allgemeine Leitbilder und Normen, die sich in den Stilepochen ausdrückten.

48. Genoves
In unserer Epoche, da man sich bewusst
wurde, dass der Mensch im
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weitesten Sinne von seiner Umwelt abhängig ist, von seinen
Erbfaktoren, seinem Kindheitsmilieu, seiner Bildung, seinen unvollkommenen
sinnlichen Wahrnehmungen, den gesellschaftlichen Strukturen, gibt es
ein weites pluralistisches Angebot an Leitbildern, unter denen der
Künstler eines auswählen oder denen er eines beifügen
kann. Die egozentrische Sicht der Zentralperspektive verschwindet,
der Mensch wird nicht mehr als Mittelpunkt, sondern als abhängiges
Teilchen des ganzen Universums betrachtet.

49. Cezanne
Das gleiche geschieht mit der künstlerischen
Sprache: wenn man früher die natürliche Erscheinung der Dinge
als Bezugspunkt für jeden Ausdruck, jede Mitteilung verwenden
konnte, werden in dieser neuen pluralistischen Weltanschauung von jeder
Künstlergruppe
andere Bezugspunkte zur Verständigung vorgeschlagen. Cezanne beispielsweise
suchte das Typische, die Grundgesetze einer Weltordnung im Naturmotiv
beobachtend herauszuarbeiten,

50. Van Gogh
während Van Gogh einer nur mit Glauben
und Gefühl fassbaren,
universalen, kosmischen Einheit der Natur, der Dinge und Menschen Ausdruck
gab. Diese beiden Pioniere stehen am Anfang zweier Grundtendenzen,
die sich in der neueren Kunstentwicklung immer wieder ablösen
oder überlagern:
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51. Moholy-Nagy
der konstruktivistischen, die glaubt,
den Welträtseln und Wahrheiten
durch genaues Beobachten, Analysieren und verstandesmässiges Verarbeiten
näher zu kommen.

52. Nolde
Und der expressionistischen, die eher an
die gefühlsmässige,
intuitive, zufällige oder mystische Bewältigung dieser Probleme
glaubt. Natürlich gibt es oft Mischungen dieser beiden Richtungen,
zwischen denen sich ja auch die Bewältigung des alltäglichen
Lebens jedes einzelne Menschen abspielt.

53. Boccioni
Natürlich gibt es oft Mischungen
dieser beiden Richtungen, zwischen denen sich ja auch die Bewältigung
des alltäglichen Lebens
jedes einzelnen menschen abspielt.
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