ZUR ARBEIT IN DER AUSSTELLUNG BLAST TO FREEZE KUNSTMUSEUM WOLFSBURG
Lyrische Werke
Das Taschenbuch mit Erich Frieds Warngedichten (1964 Hanser, München) einmal in die Hand genommen, fanden sich überraschend viele Bezüge zu Stücken der Ausstellung:


Zu den Steinen

Auch Hunde
beißen einander
auch Schlangen sind giftig

Bis zu den Schnecken
bin ich gegangen
um Liebe

zu den Flechten um Mut
zu den Steinen
vielleicht um Verstehn


Die Stätte

Ein Stein erinnert sich
aber das Gras will nichts wissen
Ein Pferd wird noch scheu
aber das Auto fährt weiter

Drei Handvoll Augen
tanzen über dem Gras
Unter dem Stein
finden sie keine Gesichter

In der Luft
steht das Wasserzeichen geschrieben
von der brennenden Wand
ohne Schlüssel und ohne Spruch

 
Die(se) künstlerische Sprachform scheint einige bildnerischen Werke regelrecht aufzuschließen, und das mit wenigen Worten. - Deshalb ein Vorschlag zur Praxis: Schülerinnen und Schüler sammeln vor Ausstellungsbesuch Gedichte beispielsweise zum Thema Krieg, diskutieren sie in der Schule und konfrontieren sie im Museum mit den Gemälden zum Ersten Weltkrieg. Was machen die Gedichte und was machen die gemalten Bilder mit mir? Das wäre dann die Frage!
+ Mit einem Lieblingsgedicht in der Hand durch die Ausstellung schweifen, um ein Echo zu finden, ein anderer Ansatz.
+ Warum lässt sich das Gedicht "Zu den Steinen" besser mit dem Steinkreis Richard Longs verknüpfen, als mit der Arbeit "Olaf Street Study" von Boyle u. Hills?
ZURÜCK ZUM THEMA STEIN

Zur Ausstellung, zur Kunst, nein, überhaupt passen die nächsten Gedichte, daneben sind sie deshalb reizvoll, weil sie uns Betrachtende auch im Auge haben:


Das Bild

Bei Regenwürmern
hängt an der Lochwand ein Bild:
zwei schwarze Amseln
auf einer grünen Wiese

Die spitzen Schnäbel
versenkt zwischen Halme und Blumen
unter blauem Himmel
den einsam die Wespe durchquert

Als Rahmen ein Spruchband
gewunden nach Regenwurmart:
Zum Andenken an
die Ermordung unserer Brüder


Unbelehrbar

Die Unbelehrbaren
glauben an ihre Lehren
und lernen nie glauben dass Menschen
nicht zu belehren sind

Man müsste die Menschen warnen
man müsste sie lehren
die Lehre von der Belehrbarkeit
nicht mehr zu glauben

Doch die Menschen sind unbelehrbar
und deshalb haben
die Unbelehrbaren
mit ihren Lehren Erfolg

 


Die Blinden


Ich sagte "Ich sehe"
du sagtest "Ich sehe dich sehen"
So tappten wir uns vorbei
an den Höhlen der Augen

Die Augen kamen gerollt
aus den hellen Höhlen
sie wollten uns ins Gesicht
sie hüpften uns bis ans Kinn

"Sie äugen uns weil wir lügen"
Wir packten die weichen Steine
wir warfen sie weit von uns weg
wir tasteten uns nach Hause

Man fühlte uns ins Gesicht
man fragte "Was habt ihr begriffen?"
"Wir haben gesehen
wir waren im Lande der Augen

Wir waren voll Augen
die wollten ihr Licht in uns bohren
sie rollten aus alten Höhlen
Wir haben uns frei gemacht"






Wird die sprachliche Gestaltung "Unbelehrbar" mit Bildwerken kombiniert, modifiziert sich jeweils ihr Inhalt. Damit werden Deutungsmöglichkeiten erkennbar, die unter Umständen der direkten Interpretation (sofern es diese überhaupt gibt) verborgen blieben.
Vorschläge:
Unbelehrbar + Gilbert & George: Roads
Unbelehrbar + Paolozzi: The Philosopher
Unbelehrbar + Spencer: ... Burners
Unbelehrbar + Evans: Tyrannopolis (The Protestors)
Unbelehrbar + Maddox: The Lesson
Unbelehrbar + Roberts: Tommies filling their bottles...
Unbelehrbar + Lewis oder andere.
 
Über die letzten beiden Fried-Gedichte kann ich gut im Zusammenhang mit "A Hundred Years" von Damian Hirst resonieren. Sicher ist das nachzuempfinden:hirst


Totschlagen

Erst die Zeit
dann eine Fliege
vielleicht eine Maus
dann möglichst viele Menschen
dann wieder die Zeit


Definition

Ein Hund
der stirbt
und der weiß
daß er stirbt
wie ein Hund

und der sagen kann
daß er weiß
daß er stirbt
wie ein Hund
ist ein Mensch

 

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