Mathe-Kunst-Kurs | 13. Jahrgang | 2000/2001 | Martens, Sechtig & Randig
 
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EXKURS: Rolle des Loh Shu in Traditioneller Chinesischer Kultur
Zitiert aus: Song Z.J.: TAI-CHI CHÜAN, Die Grundlagen. Aus dem Chinesischen von Hermann G. Bohm. Piper, München 2.Auflage 1998, Seite 256 - 260 (anderes Loh Shu-Bild)
1. 3 Erklärungen zur >Schrift vom Fluss Luo<
Von Fu Xi bis zu König Yu der Xia-Dynastie vergingen viele Jahre. Bei der Regulierung einer Überschwemmung sah König Yu angeblich eine Wasserschildkröte aus dem Fluss Luo kommen, die die Informationen zur späteren Luoschrift (oder Schrift vom Fluss Luo) .. auf dem Rücken trug.

Abb. 8: Runde Luoschrift auf Wasserschildkröte

In späterer Zeit wurden leere und volle Punkte überliefert, die die Positionen der >Neun Farben< (Jiu gong) gemäß der Bagua(acht Trigramme)-Theorie repräsentieren. Sie sind als die neun Zahlen von Gerade und Ungerade nach Yin und Yang angeordnet. 9 und 1 stehen für Süden und Norden, links im Osten steht 3, rechts im Westen findet sich 7; 2 und 4, die beiden geraden Zahlen, bilden die Schultern. 8 und 6, ebenfalls gerade, stehen für die Beine. Die Zahl 5 bleibt fest im Zentrum (siehe Abb. 9). König Yu hat nach diesem Prinzip der Anordnung der neun Zahlen das Reich in neun Provinzen eingeteilt; daraus entstand die große Methode zur Kontrolle und Beherrschung der Überschwemmungen im Reich. Die Yin/Yang-Zahlentheorie, die im Luoshu enthalten ist, geht nicht über die Flusskarte hinaus. Die ungeraden Zahlen 1,3, 5,7 und 9 liegen in den vier Hauptrichtungen und im Zentrum, gehören durch Linksdrehung zu Yang. 2, 4, 6 und 8 liegen in den Schrägrichtungen, gehören durch Rechtsdrehung zu Yin. Schräg, waagerecht und senkrecht gegenüberliegende Zahlen ergeben jeweils mit der zentralen 5 addiert 15. Die veränderten Positionen der beiden Geraden 2 und 8, im Luoshu der frühere Himmel der neun
Abb. 9: Rundgraphik zur Luoschrift

Farben, bilden den Ursprung der verborgenen Wandlung von Nordost und Südwest in der I Ging-Theorie. 2 und 8 des früheren Himmels sind die veränderten Positionen der Trigramme Zhen und Xun. 2 und 8 des späte-ren Himmels sind die veränderten Positionen der beiden Trigramme Gen und Kun. Daraus entsteht die vortreffliche Anwendung von veränderten zweiten und fünften Hexagrammlinicn bzw. deren Positionen. Die linksseitigen 9, 4, 3 und 8 des Luoshu sind die vier waagerechten Yang-Zahlen der Flusskarte. Die rechtsseitigen 2, 7, 6 und 1 entsprechen den vier senkrechten Yin-Zahlen der Flusskarte. Dadurch gehören sie zur Ordnung der Trigramme des früheren Himmels, woraus man noch einmal die hinter der Flusskarte und der Luoschrift stehende Theorie erkennen kann. Die verborgene Bedeutung der immanenten Zahlentheo-rie soll nun im einzelnen erklärt werden.

1.3.1 Anordnungsweise der neun Zahlen
Das Luoshu ist der Ursprung der acht Trigramme des späteren Himmels und entspricht der Gesetzmäßigkeit der >Bewegungsänderung des Universums< (Yuzhou biandong). Die Graphik benutzt feine Linien, um die neun Zahlen zu unterscheiden bzw. zu verbinden; es werden wieder kleine Kreise und volle Punkte verwendet. Im I Ging ist zu lesen, dass das Luoshu seine Methodik von der Schildkröten-Erscheinung hat, wodurch die Reihungsart der neun Zahlen bedingt ist (siehe 1.3). Die Anordnung dieser neun Richtungen symbolisiert die Positionsveränderungen der Erde unter der Drehung des Alls und beinhaltet viele tiefsinnige Anwendungen. Die chinesischen Astrologen untersuchen nach diesem Prinzip die eigenartigen Wege und Entwicklungen im Universum, 1, 3, 5, 7 und 9, die Ungeraden der Luoschrift, werden durch runde leere Kreise dargestellt und sind Yang-Zahlen. 2, 4, 6 und 8, die Geraden, werden durch volle Punkte repräsentiert und sind die Yin-Zahlen. Die Yang-Zahlen stehen für Orthodoxie in Dingen und Angelegenheiten, sind in die vier Hauptrichtungen und im Zentrum angeordnet. Die Yin-Zahlen sind Unterstützung und Ergänzung in Angelegenheiten und Dingen und befinden sich in den vier Diagonalrichtungen. Die Positionsrichtungen der neun Zahlen sind anders als in der Flusskarte, wo alle Zahlen gemeinsam miteinander verbunden sind. Das Luoshu kann sowohl als Rechteck als auch als Kreis gesehen werden. Es weist im gesamten Umfang acht Bereiche auf, die miteinander verbunden den Zentrumsbereich umgeben. Die >neun Abteilungen des großen Plans< (Jiu chou) aus dem >Buch der Historien< (Shujing), die >neun Dreifüße< (Jiu ding) des Königs Yu, das >Arrangement der neun Farben (Jiu gong), die >Methode des Brunnenfelds< (Jingtian), das >kleine Einmaleins bis 9< (Jiujiu biao) und die >Charaktereigenschaften der neun Farben (Jiu gong ge) aus späteren Zeiten beruhen alle auf der Schrift vom Fluss Luo.

1.3.2 Prinzip der Richtungsänderung beim Kompass
Das Luoshu scheint wie ein Kompass zu sein. Die Yang-Zahlen repräsentieren die Linksdrehung des Weltalls. 1, 3, 5, 7 und 9 folgen einander in spiralförmigem Fortschreiten. Die Yin-Zahlen repräsentieren die Rechtsdrehung der Erde. 2, 4, 6 und 8 folgen ebenso spiralförmig aufeinander. Links- und Rechtsdrehung sind die Positionsveränderungen. Die >Spirale< folgt einer drehenden Bewegungslinie (die Aktionslinie im T'ai-chi ch'üan folgt im Ablauf diesem Prinzip). Bewegt sich das All um fünf Schritte, so entspricht dies einer Drehung um die eigene Achse; dreht es sich zweimal um die eigene Achse, wird ein kompletter Zyklus von 360 Jahren durchlaufen. Bewegt sich die Erde um vier Schritte, so ist dies eine Drehung um ihre eigene Achse. Dreht sie sich zweimal um sich selbst, entspricht dies einem kompletten Erdzyklus. Dies ist der Ursprung der zehn Himmelsstämme und zwölf Erdzweige. Die ersteren repräsentieren die zehn Schritte eines Ganzzyklus im All, die letzteren stehen für die zwölf Schritte eines Gesamtzyklus der Erde. Wie schon erklärt wurde, nehmen die Himmelsstämme, mit Ausnahme von Wu und Yi im Zentrum, also die acht Stämme Jia, Bing, Ding, Si, Geng, Xin, Ren und Gut, die seitlichen Plätze der vier Hauptrichtungen ein und trennen Yin und Yang voneinander. Die Erdzweige bestimmen folglich wechselweise mit den Himmelsstämmen die Positionen und Richtungen. Zi, Wu, Mao und Yu befinden sich in den exakten Positionen der vier Hauptrichtungen. Zi und Wasser sind im Norden, Kan. Wu und Feuer sind im Süden, Li. Dies ist eine Stützung der Yang-Position durch Yang. Mao und Holz sind im Osten, Zhen. Yu und Metall sind im Westen, Dui. Dies ist eine Stützung der Yang-Position durch Yin. Die verbundenen vier Zweige der Hauptrichtungen kreuzen sich und bil-den ein senkrechtes Yang und waagerechtes Yin, oder strahlendes Yang und vermindertes Yin. Yin, Shen, Si und Hai bilden die rechten Positionen der vier Diagonalen. Yin und Holz sind im Nordosten, Shen und Metall im Südwesten. Das ist eine Stützung der Yin-Position durch Yang. Si und Feuer sind im Südosten, Hai und Wasser im Nordwesten. Das ist eine Stützung der Yin-Position durch Yin. Die verbundenen vier Zweige der rechtsseitigen Positionen kreuzen sich und bilden >linksgestrichenes Yang< (Yang pie) und >rechtsgestrichenes Yin< (Yin nai), oder vermindertes Yang und strahlendes Yin. Chen, Xu, Chou und Wei sind seitliche Erde und Wu, Yi zentrale Erde; sie sind innen und außen, verbreiten sich auf die linken Positionen der vier Diagonalen. Chen, Erde und Holz sind im Südosten; Xu, Erde und Metall sind im Nordwesten. Dies ist das deutliche Yang, vom Yang-Zweig ohne feste Position. Chou, Erde und Wasser sind im Nordosten; Wei, Erde und Feuer sind im Südwesten. Dies ist das schwache Yin, vom Yin-Zweig ohne feste Position. Nach obigem Prinzip entstehen die sechs Yao (Linien eines Hexagramms) in den Hexagramm-Erscheinungen. Die Mittelpositionen der vier Hauptrichtungen sind im späteren Himmel des Luoshu Kan, Li, Zhen und Dui überlassen. Die Mittelpositionen der vier Diagonalen sind demnach durch Gen, Xun, Qian und Kun vertreten: Gen im Nordosten, Xun im Südosten, Qian im Nordwesten und Kun im Südwesten. Neben den vier Hauptrichtungen sind auf beiden Seiten die Himmelsstämme angeordnet, neben den vier Diagonalen sind auf beiden Seiten die Erdzweige zu finden. Jedes Trigramm beherrscht also drei 15-Grad-Richtungcn (...). Die acht Trigramme der Geraden und Diagonalen umfassen insgesamt 24 Positionen, jede Richtungsposition beträgt 15°; zusammen bilden sie die 360° des gesamten Umfangs. Auf diese Weise wurden im klassischen China die Positionen auf dem Kompass bestimmt.

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