PROJEKTE zurueck
PROTOKOLL Seite 1 
 
HEINRICH-NORDHOFF-GESAMTSCHULE WOLFSBURG  KURSPROTOKOLL
MATHE+KUNST 13. Jahrgang GK 2001-02-1 
7. - 9. Stunde, Raum C 710
Birger Sechtig & Rainer Randig 
14.08.2001
René Magritte: "La Flèche de Zénon" 1964
Der Bedeutungszusammenhang des Kunstwerks wird in der Bibliothek von den Schülern selbstständig erforscht und in Form einer Mindmap dargestellt.- So der geplante Einstieg.
Über die Suche nach Erklärungen des Bildtitels zeigen sich einprägsam die Verknüpfungen zwischen Philosophie, Kunst und Mathematik.


DER PFEIL DES ZENON
Zwei Zitate zur Erläuterung:
... Gerade aber aus dem Widerspruch aus Gedankenexperiment und realer Beobachtung entwickelt Zenon seinen Zweifel an dem, was uns unsere Sinne präsentieren.
Betrachten wir aber noch eine weitere Paradoxie des Zenon. Man betrachte einen Bogenschützen, der einen Pfeil abschießt. Zu jedem Zeitpunkt nimmt der Pfeil einen definierten Ort ein, was mit den senkrechten Markierungen deutlich gemacht wird. Wir können uns beliebig viele dieser Markierungen denken und werden jeweils feststellen: zu einem bestimmten Zeitpunkt nach dem Abschuss des Pfeils wird sich dieser an einer der Markierungen befinden. Er hat zu jeder Zeit einen klar fixierten Ort. Doch wenn das so ist, dann kann sich der Pfeil nicht bewegen. Die Bewegung des Pfeils kann also nur eine Illusion unseres Geistes sein. Zenon und mit ihm Parmenides zogen einen radikalen Schluss aus den angeführten Paradoxien. Alles, so ihre Auffassung, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, ist bloßer Schein, nichts wirklich Existierendes. Das Sein selbst ist, so ihre Schlussfolgerung aus den Paradoxien weder bewegt noch veränderlich, es ist ewig und unver- änderlich. Und nur mit unserem Verstand sind wir in der Lage, diese Wahrheit auch wirklich zu erkennen, wie ja die Paradoxien anschaulich machen.
Quelle 2001: http://www.phil.euv-frankfurt-o.de/download/2000SS_Grenzen/Unsicherheit.pdf.

"Der fliegende Pfeil ruht". Es wird nicht geleugnet werden koennen, dass der fliegende Pfeil in jedem Augenblick an einem Orte ist; "an einem Orte sein" heisst aber, sagt Zenon, "in Ruhe sein" oder "ruhen"; demgemaess wird der fliegende Pfeil, in jedem seiner Augenblicke ruhen und somit auch waehrend des ganzen Fluges. Auch hier liegt das Truegerische des indirekten Beweises gegen die Bewegung auf der Hand; es beruht auf der falschen Bestimmung von "ruhen", denn "ruhen" bedeutet nicht so viel, schlechtweg "an einem Orte sein", sondern "in aufeinanderfolgenden Augenblicken an demselben Orte sein", wie ja auch sich bewegen so viel sage wie "in aufeinanderfolgenden Augenblicken an verschiedenen Orten sein".
Quelle: Johannes Rehmke/Friedrich Schneider: Geschichte der Philosophie Bonn 1959. (Auszug S. 10-20) http://www.uni-essen.de/sesam/geschichte/theorie/thales1.html (2001)

In der bildlichen Variante des Paradoxons "Der fliegende Pfeil des Zénon" von Magritte wirkt das Beispiel in seiner Absurdität magisch. Die Vergänglichkeit der formverwandten Wolken schweben im Himmelsraum wie der zentral platzierte Felsbrocken mit seiner dauerhafteren Qualität. Der ferne Mond in seiner abnehmenden Phase steht zumindest mit dem bewegten Meer, dessen Grenzen nicht sichtbar sind, in einer Wirk-Beziehung, wenn man Ebbe und Flut erinnert. Im Widerspruch zu unserer Erfahrungswelt ist der Pfeil (zum Felsblock gewandelt) überzeugend zum Stillstand gebracht worden.

Im Gespräch über Zénons Paradox und das Bild von Renè Magritte ist bereits die Schnittstelle zur Mathematik, der Grenzwertbegriff (Analysis), benannt worden.
Hier soll das 2. Treffen ansetzen.

21.08.2001

Protokoll des 2. Treffens

Nachdem wir uns bei unserem 1. Treffen mit den philosophischen und künstlerischen Aspekten des Zenonschen Paradoxons befasst haben, wollen wir uns eine Woche später mit dem mathematischen auseinandersetzen. Zuvor jedoch reflektieren wir noch einmal kurz das Problem des Bewegungsbegriffes.

Dem zugrunde liegt das Bild "La Flèche de Zénon" (1964) René Magrittes. Der in der Bildmitte platzierte Stein ist als sinnbildliches Äquivalent zu Zenons Pfeil zu betrachten. Dieser ist in einem Standbild festgehalten, erstarrt also in einem Zeitpunkt, der über keinerlei Ausdehnung verfügt. Ohne Ausdehnung finden wir wiederum keine Bewegung vor, womit wir Zenons Standpunkt zulassen. Dieser erachtet Bewegung nämlich als inexistent, beschreibt sie stattdessen mit der kontinuierlichen Abfolge erstarrter Einzelbilder (Zeitpunkte), die uns die Illusion oktroyiert, es fände Bewegung statt. Somit widerspricht unsere sinnliche Erfahrung Zenon, die theoretische Herangehensweise jedoch vermag dies nicht.

Ein Beispiel: Wir lassen einen Gegenstand auf den Boden fallen, genauso wie es sich mit Magrittes Stein auf seinem Bild verhält, respektive verhalten sollte. Was passiert mit unserer Wahrnehmung? Scheinbar beobachten wir den Weg des Objekts von Anfang bis Ende. Die sinnliche Erfassung dieses Vorgangs lässt uns einerseits daran glauben, andererseits spricht die Logik gegen diese Beobachtung der Bewegung. Wir haben es also mit einer interpretatorischen Sichtweise zu tun, die wir auch bei Magritte ansetzen, obwohl das Bild selbst ein starres ist. In geistiger Erzählung verfolgen wir den Weg weiter, den der Stein zu nehmen hat, so dass wir uns weitere Bilder erschaffen, die den Stein immer ein wenig weiter verschieben, dass wir letztlich einen Film (eine Bildfolge) abspielen.

Was Zenon bewirkt, ist eine Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung und das Infragestellen derselben, da sie scheinbar in häufigem Konflikt steht zur Wirklichkeit und ein teils antagonistisches Verhalten zu dieser aufweist. Andererseits müssen wir uns fragen, wie real die Wirklichkeit tatsächlich ist. Im Zenonschen Sinne ist sie unveränderlich und ewig, während Bewegung und Veränderung Illusion sind. (In diesem Kontext lässt sich der Film "Matrix" erwähnen.)

Auch wenn sich die Frage nach Wirklichkeit und Illusion nie klären lässt, wollen wir ihr trotzdem nachgehen und noch einen Schritt weiter machen, nämlich hin zur Mathematik.

Den mathematischen Aspekt haben wir bereits eingeführt, als wir uns mit Zenons Paradoxon des Wettlaufs zwischen Achilles und der Schildkröte befasst haben. Demnach kann Achilles die Schildkröte, der er einen Vorsprung gewährt, nie einholen, da er, obwohl er schneller ist, sich dieser zwar nähert, beim Durchlaufen der Strecke sich die Schildkröte selbst aber wieder einen (wenn auch kleineren) Vorsprung herausläuft. Hier haben wir die Zerteilung der Zeit in immer kleinere Abschnitte.

Folgend beschäftigen wir uns eingehender mit der mathematischen Betrachtung des Phänomens der Bewegung, indem wir diese auch hier in immer kleiner werdende Abschnitte einteilen. Dazu gehen wir zunächst rein arithmetisch vor und ziehen zum abschließenden Grenzwertbegriff Zenon dazu.

Wir wollen berechnen, welche Geschwindigkeit der Pfeil einnimmt, während er sich auf einem Punkt befindet, besser gesagt sich auf einem nicht mehr messbar kleinen Zeitabschnitt der Zeitachse bewegt. Auch in diesem Bereich aber muss sich der Pfeil bewegen, weil er sich insgesamt bewegt.

Die allgemeine Formel für die Berechnung der Geschwindigkeit lautet

In jedem Fall gilt der ungefähre Weg (s): s = 5tt (hinreichende Näherung an diesen Wert)

Für t wird ein Zeitabschnitt festgelegt, der sich aus t2 - t1 errechnet, so dass zur Ermittlung der Durchschnittsgeschwindigkeit (VD) folgende allgemeine Regel gilt:

Nun wollen wir die Momentangeschwindigkeit ermitteln, die Geschwindigkeit also, die nicht für einen Zeitabschnitt, sondern einen Zeitpunk gilt. Für t1 legen wir 1 sec. fest:
Für t2 muss nun ein Wert gefunden werden, der annähernd an t1 heranreicht. Da dieser so klein wie möglich gehalten werden soll, setzen wir hierfür 1 + dt ein, wobei dt für eine Zahl steht, die größer als null, jedoch kleiner als die kleinste vorstellbar reelle Zahl ist - man nennt diese Zahlen infinitesimale Nicht-Standard-Zahlen (Newton sprich hierbei von Fluxionen, siehe weiter unten). Daraus ergibt sich:
Nach dem Lösen der binomischen Formel und dem Kürzen im Nenner sieht der Bruch wie folgt aus:
Nun lösen wir die Klammer und kürzen:
Wir klammern dt aus:
Jetzt erst lassen wir Zenon zu. Wir bewegen uns immer noch in einem Zeitabschnitt, minimieren diesen aber immer weiter, indem wir einen Grenzwert bilden und dt gegen null laufen lassen:

So stellen wir fest, dass die Momentangeschwindigkeit des Pfeils 10 m/sec. beträgt.

Wir haben nun ein mathematisches Konstrukt (indem wir dt beliebig nahe dem Grenzwert 0 entgegenstreben lassen), dass mit der sinnlichen Erfahrung übereinstimmt. Zwar sind die errechneten 10 m/sec. sinnlich nicht erfahrbar, jedoch ist es die Gesamtgeschwindigkeit, die ein Objekt einnimmt.

Abschließend muss man bemerken, dass zur Zeit Newtons der moderne Grenzwertbegriff noch nicht existierte. Newton hat sich stattdessen der Fluxionen (sein Begriff für Infinitesimale) angenommen, viele aneinandergereihte unendlich Teilbare, die den Bereich zwischen den kleinsten vorstellbar reellen Zahlen füllen. Laut Newton können wir somit den Wert dt beliebig nahe an 0 heranführen, diese jedoch nie erreichen, da immer ein Bereich übrigbleibe, der zwar nicht erfassbar aber dennoch vorhanden sei.

03.September 2001 : Alessandro Pesce

Siehe auch
William I. Mclaughlin: "Eine Lösung für Zenons Paradoxien" in: "Spektrum der Wissenschaft", Januar 1995

28.08.2001
Fahrtenwoche des 13. Jahrgangs
"Mit dieser spektakulären Aufnahme, sie zeigt einen F-15-Kampfjet beim Durchbrechen der Schallmauer, gewann der Fotograf John Gay von der US-Zeitschrift "Sports Illustrated" beim diesjährigen Wettbewerb um das "World Press Photo" den ersten Preis in der Sparte Wissenschaft und Technik. Foto: dpa"
Braunschweiger Zeitung 12.02.2000