Meine Aufmerksamkeit gilt besonders dem
Blatt auf der linken Seite (27,4 x 37,6 cm), das in einer vorher bestimmten
Ordnung kleine aquarellierte Zeichnungen versammelt.
Die Bilderfindungen scheinen aus einer großen Aufmerksamkeit und
Anteilnahme Moores heraus entstanden zu sein und können
wohl mehr mit dem Betrachter machen, als die zuvor angesprochenen Arbeiten
von Nash.
Hier Erklärungsansätze zu finden, dürfte die Wahrnehmung
künstlerischer Bildwerke schärfen.
Mir geht es dabei nicht um die umfassende Verbalisierung eines Bildausdrucks,
sondern eher um eine verfeinerte "Resonanzfähigkeit".
Also mehr um die aufmerksame (Selbst-)Beobachtung eigener Empfindungen
und Reaktionen, die ja nicht bloß dem vorhandenen Wissen in unseren
Köpfen entspringen. Gerade Moores notierte Kleinstwerke beanspruchen
Intuition, Erinnerungsvermögen, Körpergedächtnis, um
ein paar Begriffe zu nennen, die auf Bereiche unserer unbewußten
Reizverarbeitung verweisen. Denn bereits die Unklarheiten und Abweichungen
der einzelnen Bildentwürfe verlangen von mir, sie in meiner geistigen
Welt unterzubringen, mein Gehirn, denke ich, sucht Ähnlichkeiten
und Verwandtes, sucht in seinen Kammern bereits Abgelagertes, das im
Zusammenhang mit dem Neufund stehen könnte. Welche Rolle die Dauer
der Suche spielt und schließlich die Entscheidung, das neu Gesehene
mit bestimmten Bereichen im Gehirn zu verknüpfen, es vielleicht
schwebend zwischenzulagern oder es wieder zu vergessen, diese Frage
muss ich an die Hirnforschung weiterreichen. Meine Erfahrung ist allerdings,
dass diese virtuose Tätigkeit der Nerven im Körper zunehmend
mit Lust ("Kunstgenuss"?) und Einsichten (in Zusammenhänge)
belohnt wird.
Moores "IDEAS" stehen untereinander über das gemeinsame
Thema WAR in Verbindung. Sie illustrieren keine realen Ereignisse, spiegeln
aber die "Unwirklichkeit" und das "Unfassliche"
der zerstörerischen realen Kräfte wieder. Die Bilder bearbeiten
bohrend Erlebtes, ohne es abzutöten: Die vor dunkler Feuersbrunst
sitzende Figur lebt, die aufgesprengten Erdföntänen leben
und die brennenden Schafe leben (in mich transzendiert). - Diese Bedeutung
der Bilder für mich kann ich um so leichter erkennen, da ich mich
als Betrachter einerseits auf die isoliert zitierten Motive konzentrieren
muss, andererseits muss ich mich durch die 18 Angebote bewegen: vergleichen,
verbinden, trennen, verweilen.
Ähnlich auch die Bilder des SHELTER SKETCHBOOKs: Neben der intimen
individuellen Nähe, die aus den Zeichnungen spricht, werden in
der Regel mehrere Ansichten nebeneinander gestellt. Einfühlsame
Versuche, die sich der Situation der Schutzsuchenden, dem Wesen des
Leidens widmen, ohne dabei einen Menschen als "individuelles Exemplar"
zu benutzen und vorzuführen.
Vielleicht reichen meine Ansätze, um das Zusammenwirken gestalterischer
Aspekte vor Ort wirken zu lassen und weiter zu ergründen. Im Gesamtzusammenhang
der Ausstellung, denke ich, lässt sich die hervorragende Qualität
der äußerlich bescheidenen Bilder von Henry Moore nachhaltig
erfahren. Die spielerische Formsuche gepaart mit der Reduktion auf den
Kern einer Erscheinung zeigt sich in den Bildern in gleicher Weise wie
in den Plastiken.
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Pink and Green Sleepers, 1941. Drawing,
204x165mm pen and ink, chalk, wax crayon, wash and gouache. Tate Gallery,
London
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