ZUR ARBEIT IN DER AUSSTELLUNG BLAST TO FREEZE KUNSTMUSEUM WOLFSBURG
• Hirst: A HUNDRED YEARS •

Beim Erstbesuch ist sowohl mit Neugier als auch mit starker Irritation zu rechnen. Letztere kann manchmal in heftige emotional begründete Ablehnung münden, derartige Reaktionen sind Gewissensäußerungen und entsprechend einfühlsam aufzunehmen. Hier sterben schließlich Lebewesen (und Vorstellungen). Die Installation verweist jedoch auf andere Zusammenhänge und ist keine Show aus Lust an der Hinrichtung, kein Selbstzweck. Damit öffnet sich schon der erste wichtige Weg, an Hirsts Installation heranzukommen.
Wie gehen wir selbst im Alltag mit Insekten um? Warum denken wir gerade jetzt darüber nach? Ist es sinnvoll, dass wir uns Gedanken machen? Was genau löst eigentlich meine Empfindungen, meine Reaktionen aus?
Diese oder ähnliche Fragen und Thematisierungen sind sicher unumgänglich. Daneben reizen vielleicht noch andere Einstiegsideen: Ein spielerisch gemeinter Erschließungsweg könnte darin bestehen, paradoxerweise die dröge schulische Bildanalyse heranzuziehen:

Beschreibung: Bildgegenstände? Situation? Räumlichkeit? Teilanalysen: Komposition? Form? Farbe? Licht? Technik? Künstler:
Welche politische Situation als Hintergrund? Sozialer Kontext? Lebenslauf? Saßen in der
frühen Kindheit Fliegen auf dem Schnuller? Was macht der Künstler überhaupt für Sachen?

Wenn das Schild mit den Werk-Daten verdeckt würde, brächte ein Titel-Wettbewerb zur Installation bestimmt viele Bedeutungsbezüge ans Kunstlicht. Nicht jeder Titel erklärt sich nämlich selbstredend, besonders dann nicht, wenn speziell "ablenkende" Titel gesucht werden sollen! (In diesem Fall darf der Titel
A HUNDRED YEARS
lesbar bleiben. - Hirst hat

noch eine Variante hergestellt: A THOUSAND YEARS. Vgl. Material Hirst: Zitat S. Schimpf.)

Bleibt man jedoch auf dem Parkett vor dem "Artarium", macht es durchaus Sinn, die Zweiteilung des Glaskastens mit verschraubten Stahlskelett zu erkennen. Der außen weiße Würfel mit dem obskuren schwarzen Loch im Kontrast zur ikarischen Sonne, das trägt bekannte Aspekte! Im Weiteren müsste dann die funktionale Struktur der Installation durchschaut werden. Warum steht der Zucker so nah am Betrachter? - Doch nicht die Hauptsache vergessen: Fliegen, Fliegen, Fliegen - oder steckt etwas anderes hahinter!? Daraus folgt: Ein Gedicht zur Installation könnte die Bedeutungs- und Sinnbezüge aufschließen, sicher besser als eine erläuternde Führung des Lehrers. - Neben diesen Vorschlägen, Zugänge zum Werk zu eröffnen, um für sich selbst Sinn abschöpfen zu können, bleibt immer noch, wie schon anfangs bei The Rock Drill, die Assoziationssammlung erfolgversprechend. Denn aufgefächerte inhaltliche Aspekte bieten mehr Anknüpfungspunkte für eine befragende Diskussion als eine einzelne Hypothese zur Bedeutung des Werkes. Letztere focussiert das Denken auf eine Linie (falls niemand querdenkt), während ein Assoziationscluster, das von einer Beobachtergruppe offen zusammengetragen worden ist, vielseitig auf das Werk zugreift, weil die Installation von verschiedenen individuellen Standpunkten her wahrgenommen und empfunden wird.
>>> Details der Installation

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