PROTOKOLL Seite 4 zurueck
MU-Rätsel Auflösung 
 
Aus
Douglas R. Hofstadter: Gödel, Escher, Bach : ein endlos geflochtenes Band,
11. Aufl. Stuttgart : Klett Cotta, 1988.
Seite 280-282
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Joshus MU-Koan >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> MU-Rätsel Seite37-45
 

Von Mumon zum MU-Rätsel

Aus den ätherischen Höhen von Joshus MU steigen wir nun in die prosaischen Niederungen von Hofstadters MU hinab ... Ich weiß, dass der Leser bereits seine ganze Energie auf dieses MU konzentriert hat (bei der Lektüre von Kapitel I). Deshalb will ich jetzt die dort gestellte Frage beantworten:

Hat MU SATZ-Natur oder nicht?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht ein ausweichendes MU, sondern ein dröhnendes NEIN. Um das zu zeigen, bedienen wir uns der dualistischen, logischen Denkweise.

Im Kapitel I machten wir zwei entscheidende Beobachtungen:

1) dass das MU-Rätsel eine gewisse Tiefe besitzt, vor allem deshalb, weil es das Zusammenspiel von Verlängerungs- und Verkürzungsregeln erforderlich macht;
2) dass dennoch Hoffnung auf die Lösung des Problems besteht, wenn wir ein Werkzeug gebrauchen, das in einem gewissen Sinn genügend tiefgreifend ist, um Dinge dieser Komplexitätsstufe zu behandeln: die Zahlentheorie.

Im Kapitel I haben wir das MU-Rätsel unter diesem Gesichtspunkt nicht sehr eingehend analysiert; das holen wir jetzt nach. Und wir werden sehen, dass die zweite Beobachtung (wenn man sie über das unbedeutende MIU-System hinaus verallgemeinert) eine der ergiebigsten Erkenntnisse der gesamten Mathematik darstellt und wie sie das Selbstverständnis der Mathematik verändert hat.

Der Einfachheit halber hiermit eine Zusammenfassung des MIU-Systems:

SYMBOLE: M, I, U
AXIOM: MI
REGELN:
I.Wenn x I ein SATZ ist, dann auch x IU.

II. Wenn M x ein SATZ ist, dann auch M xx.
III. In jedem SATZ kann III durch U ersetzt werden.
IV. UU kann aus jedem SATZ weggelassen werden.

Mumon zeigt uns, wie das MU-Rätsel zu lösen ist

Unsere oben angestellten Betrachtungen ergeben, dass das MU-Rätsel also einfach ein Rätsel über natürliche Zahlen in typographischer Verkleidung ist. Wenn wir nur einen Weg finden könnten, es in den Bereich der Zahlentheorie zu versetzen, wären wir vielleicht in der Lage, es zu lösen. Sinnen wir über die Worte Mumons nach, der da sagte: "Wenn einer von Euch ein Auge hat, wird er den Fehler auf des Lehrers Seite sehen". Warum aber sollte es wichtig sein, ein Auge zu haben?

Versucht man, die Anzahl der Is in den SÄTZEN zu zählen, wird man merken, dass sie niemals 0 beträgt. In anderen Worten: es scheint, dass wir, soviel auch verkürzt und verlängert wird, es nie fertig bringen werden, alle Is zu tilgen. Nennen wir die Anzahl der Is in einer Kette ihren I-Gehalt. Man beachte, dass der I-Gehalt des Axioms MI gleich 1 ist. Wir können mehr tun als lediglich zeigen, dass der I-Gehalt nicht 0 sein kann; wie können zeigen, dass er niemals ein Vielfaches von 3 sein kann.

Zunächst beachte man, dass die Regeln I und IV den I-Gehalt völlig unverändert lassen. Deshalb brauchen wir uns nur mit den Regeln II und III zu befassen. Was Regel III betrifft, so vermindert sie den I-Gehalt um genau 3. Nach einer Anwendung dieser Regel könnte der I-Gehalt des Outputs ein Vielfaches von 3 sein - aber nur wenn der I-Gehalt des Input es ebenfalls war. Kurz, Regel III erzeugt niemals ein Vielfaches von 3 aus dem Nichts. Sie kann nur ein solches erzeugen, wenn Sie mit einem begann. Das Gleiche gilt für Regel II, die den I-Gehalt verdoppelt. Der Grund dafür ist, dass, wenn 3 ein Teiler von 2n ist, - da 3 kein Teiler von 2 ist - es ein Teiler von n sein muss (eine einfache zahlentheoretische Tatsache). Weder Regel II noch Regel III kann ein Vielfaches von 3 aus dem Nichts erzeugen.

Das aber ist der Schlüssel des MU-Rätsels! Wir wissen ja folgendes:
1) Der I-Gehalt beginnt bei 1 (nicht einem Vielfachen von 3).
2)
Zwei der Regeln haben überhaupt keinen Einfluss auf den I-Gehalt.
3)
Die zwei verbleibenden Regeln, die auf den I-Gehalt einen Einfluss haben, tun das auf eine solche Weise, dass sie nie ein Vielfaches von 3 erzeugen können, es sei denn, ein solches sei von Anfang an gegeben.

Die Schlussfolgerung - und es ist auch eine typisch vererbbare - ist die, dass der I-Gehalt nie ein Vielfaches von 3 werden kann. Insbesondere ist 0 ein verbotener Wert des I-Gehalts. Daher ist MU kein SATZ des MIU-Systems.

Man beachte, dass dieses Problem, sogar in der Form eines Rätsels über den I-Gehalt, noch immer durch ein Kreuzfeuer von Verkürzungs- und Verlängerungsregeln erschwert wird. Das Ziel war Null; der I-Gehalt konnte wachsen (Regel II), oder schrumpfen (Regel III). Bis wir die Situation analysierten, hätten wir der Meinung sein können, dass wir schließlich auf 0 stoßen würden, wenn wir nur genug mit den Regeln herumspielten. Nun, dank eines einfachen zahlentheoretischen Arguments wissen wir jetzt, dass das unmöglich ist.


PROTOKOLL Seite 4 <<<<<<<<<<<<<<<<<< Joshus MU-Koan >>>>>>>>>>>>>>>>>> MU-Rätsel
nach oben