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PROTOKOLL 2. Hj. -3-  
   
HEINRICH-NORDHOFF-GESAMTSCHULE WOLFSBURG 
KURSPROTOKOLL
MATHE+KUNST 13. Jahrgang GK 2001-02-2
Birger Sechtig & Rainer Randig 
08.01.2002 - 19.03.2002
jeweils 7. - 9. Stunde
Fraktale und Apfelmännchen

Nachdem B. Sechtig bereits Komplexe Zahlen, Chaos und Fraktale behandelt hatte (als R. Randig nicht anwesend sein konnte), kam es zum Ende des Semesters darauf an. Mandelbrots Apfel-männchen aus mathematischer Sicht zu beleuchten. Da B. Sechtig auf einer Philosophen-Tagung weilte, hatte diese Aufgabe gerechterweise R. Randig zu übernehmen, zumal der Mathepädagoge schon die Gestaltungsaufgabe zur Goldenen Spirale gestellt hatte (Protokoll Seite -1-).
Deshalb:

Vorbereitung für den 12.03.:
Crashkurs für R. Randig über den mathematischen Hintergrund
der fraktalen Struktur des "Apfelmännchens".
Vorab eine Kurzinformation: "Mandelbrot-Menge [nach dem amerikanisch-französisch-polnischen
Mathematiker B.Mandelbrot, *1924], selbstähnliche fraktale Teilmenge der komplexen Zahlenebene, die sich durch die Iteration erzeugen lässt (C und Z sind komplexe Zahlen). Die Mandelbrot-Menge, wegen ihrer kugeligen Form auch "Apfelmännchen" genannt, ist in der fraktalen Geometrie von Bedeutung." ... "Iteration [lateinisch "Wiederholung"] die, Mathematik: wiederholte Anwendung desselben Rechenverfahrens auf dabei gewonnene Zwischenwerte, um sich von einer Näherungs-lösung der exakten Lösung einer Gleichung anzunähern."
© 2002 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG
Bilder und Anmerkungen

Die labile Weiche (Iteration, s.o.)

Diese Notizen stehen auf der linken Tafelseite, leider verdeckt, denn Birger Sechtig macht mir gerade klar, dass der Mathematiker Leonard Euler (1707-1783) das Symbol »i« für die Wurzel aus -1 benannt hatte und damit eine wichtige Entwicklung möglich machte: Carl Friedrich Gauß (1777-1855) aus Braunschweig spielte als nächster kreativ mit dem Axiom für imaginäre Zahlen. Gauß konnte nicht ahnen, dass sein Ergebnis, das System komplexer Zahlen, wiederum die Basis für die Formel von B. Mandelbrot schuf. Dieser erfand - und auch er wusste tatsächlich nicht, warum und wie - eine mathematische "Mühle", die, wenn sie gefüttert wird, ein fraktales System hervorbringt.

Birger Sechtig verdeutlicht den mathematischen Zusammenhang:
»Eine solche "labile Weiche" eignet sich gut zur Einführung in das Verhalten von Zahlen bei fortgesetzter Iteration.
Sollte ich meinen Anfangswert nur einen "Hauch" weit links von 1 ansiedeln, so streben die entstehenden Zahlen der Null entgegen. Verfehle ich die 1 als Anfangswert nur um eben diesen "Hauch" nach rechts, so entwischen mir die Zahlen in Richtung des positiv Unendlichen. Dabei darf der "Hauch" noch erheblich kleiner sein als man sich gemeinhin vorstellt.
Wendet man nun eine zugebenermaßen etwas kompliziertere quadratische Iteration auf die komplexen Zahlen an (s. Tafelbild), so geschieht strukturell das gleiche , aber natürlich viel komplexer - sie heißen ja auch komplexe Zahlen.
Die immer wieder neu entstehenden komplexen Zahlen können nun eine Vielzahl von verschiedenen Verhaltensweisen zeigen. Manche springen ziemlich chaotisch innerhalb eines endlichen Gebietes umeinander, andere wiederum bilden spiralarmige oder elliptische bis kreisförmige Galaxien, die in ihrer Mitte "Schwarze Löcher" besitzen, in deren unmittelbarer Nachbarschaft sich die Zahlen häufen. D.h. die Zahlen streben diese an. Die "Schwarzen Löcher" scheinen für die Zahlen höchst attraktiv zu sein, deshalb nennt man sie auch "Attraktoren".
Natürlich gibt es auch hier das Phänomen, dass die Zahlen ins Unendliche entwischen. Das vorhin erwähnte endliche Gebiet, das sozusagen als Gefängnis für die bei der Iteration erzeigten Zahlen dient, wird in den zugehörigen Abbildungen üblicherweise schwarz gefärbt und hat den Namen "Mandelbrotmenge". Sie besitzt die berühmte "Apfelmännchenstruktur".
Leider gibt es kaum Programme, die die Bewegungen der Punkte innerhalb dieses Gefängnisses dokumentieren (ein Schüler hat ein solches Programm erstellt und würde es sicherlich eventuellen Interessenten zur Verfügung stellen.).
Die Komplexität dieser Menge wird deutlich, wenn man sich ihrem Rand von außen nähert. Bei dem einfachen Einführungsbeispiel war die Eins sozusagen der ,Fels in der Brandung'. Links ging's gegen Null, rechts gegen Unendlich. Bei der Mandelbrotmenge gibt es keinen solchen Felsen. Die Struktur des Randes ist wahrlich seltsam. Wenn ich ihm nahe auf den Pelz rücke (ihn sozusagen unter die Lupe nehme), entstehen immer neue kleine Ausbuchtungen, die sog. "Apfelmännchen" und das hört nie auf. Nehme ich mir z.B. einen dieser Winzlinge aufs Korn und







 



wähle einen Anfangswert ganz dicht an seinem Rand, so erscheinen in dieser Vergrößerung eine Unzahl neuer Apfelmännchen. Das kann ich immer wieder tun, wobei eine praktische Grenze in der Leistungsfähigkeit meines Rechners liegt.Die Farben außerhalb der Menge sind der kreativen Gestaltung des Programmierers zu verdanken. In ihrem Drang zur Unendlichkeit sind die Zahlen z.B. unterschiedlich schnell und je nach dem, wie eilig sie es haben, färbt der Programmierer sie unterschiedlich ein. Es gibt auch noch andere Kriterien, nach denen die Farben gestaltet werden können. Der optische Eindruck ist somit nicht zwingend vorgegeben sondern Produkt eines (künstlerischen ?) Gestaltungsaktes.«

Die optische Umsetzung der Mandelbrotschen Mühle und ihrer aktuellen Varianten übt eine starke Faszination aus, unter anderem weil überhaupt eine rechnerisch-geistige Struktur Form annimmt, weil diese Gestalt nicht endlich ist, well diese Gestalt Chaos und Ordnung in sich vereinigt, weil in ihr Abstraktes eine konkrete Form gewinnt.

Literatur:

Organic art: Spectrum der Wissenschaft, Heft 6/1997: Mathematische Unterhaltungen
Die Fantasiewesen von William Latham. Artikel von Christoph Poppe (s.o. Link!)

H.-O. Peitgen, P.H. Richter, The Beauty of Fractals. Images of Complex Dynamical Systems. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg 1986


In Anbetracht der Polivalenz des Kurses und den politisch verursachten Engheiten unserer pädagogischen Arbeitsbedingungen trutzend hatten wir unser gemeinsames 4. Kursthema
ZWISCHEN DEN STÜHLEN genannt. Danke, Birger!
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