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ZEIT Matrix 
 
Zitat aus:
A. M. Klaus Müller: Das unbekannte Land. Konflikt-Fall Natur. Erfahrungen und Visionen im Horizont der offenen Zeit. RADIUS-Verlag Stuttgart 1987.
Seite 210ff: Zeit als Verschränkung ihrer Modi
 
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"... Wenn wir, ohne schon in die Wissenschaft einzutreten, von der Zeit ausgehen, wie ist dann unser Wissen, wie ist die Naturwissenschaft, wie ist die Evolution als in diese Zeit ein-gebettet wiederzuerkennen?
Der vorliegende Text kann nur eine grobe Skizze eines solchen Versuchs sein. Methodischer Ausgangspunkt ist die Zeitphilosophie von GEORG PICHT. Die folgenden Erörterungen machen Gebrauch von drei zentralen Aspekten dieser Philosophie:

    1. Die Zeit ist selbst das Sein.
    2. Alles, was ist, ist in der Zeit. Alles, was gewesen ist, ist in der Zeit gewesen. Alles, was sein wird, wird in der Zeit sein.
    3. Wir erfahren die Zeit in den Verschränkungen ihrer Modi.


»Von der Zeit auszugehen« bedeutet dann, die Zeit selbst zu erfahren. Das ist nach PICHT gerade nur wieder in der Zeit möglich, jedenfalls solange wir das Sein der Zeit noch nicht vor dem Hintergrund des Todes, sondern im Fluss des Lebens betrachten. Wir fragen also nach den Horizonten der Dynamik der Zeit in der Zeit. Nach 2. erscheint alles, was überhaupt ist, in den Zeitmodi Vergangenheit (V), Gegenwart (G) oder Zukunft (Z). Auch die Zeit selbst erscheint in diesen Modi. Wenn wir also fragen, wie ein solcher Modus in der Zeit ist, so lautet die Antwort: er erscheint wiederum in den drei Modi V, G, Z. So ist etwa die Vergangenheit in der Zeit einzig in den Modi der Vergangenheit oder der Gegenwart oder der Zukunft erfahrbar, wofür wir symbolisch VV, GV bzw. ZV schreiben werden: z. B. ist GV dasjenige an (am Modus) der Vergangenheit, was im Modus der Gegenwart, d. h. gegen-wärtig erscheint, oder kurz: die Gegenwart der Vergangenheit. Insgesamt lässt sich somit zunächst formal eine Matrix von 3X3=9 solcher zweistelligen Zeitmodiverschränkungen aufstellen:

VV
VG
VZ
GV
GG
GZ
ZV
ZG
ZZ


Matrix der zweistelligen Zeitmodiverschränkungen


Die Forderung, dass die Zeit wieder nur in der Zeit erfahrbar sein soll, führt also zusammen mit der Dreiheit der Modi zur Iteration dieser Modi auf sich selbst. Es ist aber klar, dass es bei dieser Iteration prinzipiell kein Halten gibt. Wie erfahren wir GV? Eben nur wieder in der Zeit (Punkt 1.), also in der Dreiheit ihrer Modi. Dies führt in einer nächsten Stufe zu dreistel-ligen Verschränkungen, hier zu VGV, GGV, ZGV. Soweit das formale Spiel, in das die Zeiterfahrung der Modi führt. Wir bezeichnen es als Zeitspiel. Es erscheint in der Zahl der Stellen nach oben unbegrenzt und wurde von mir in einer früheren Arbeit eingeführt. Wir folgen hier diesen früheren Überlegungen und ergänzen sie zugleich.

Wir interpretieren nun diese Verschränkungen als eine Vielzahl von Zeithorizonten und er-warten nach 1., dass jedes Phänomen, das in der Zeit ist, also alles, was ist, sich in einem oder mehreren dieser Zeithorizonte zeigt. Dabei ist die These, etwas sei in der Zeit, in gewissem Sinne noch ein Pleonasmus. Denn wenn das Sein dieses »ist« Zeit ist, dann ist et-was nicht in der Zeit, sondern es ist Zeit. Der Zusatz »in« wird sich dann allenfalls auf die Art und Weise beziehen, wie dieses Seiende in den Zeithorizonten lokalisiert ist, vorausgesetzt, es lässt sich dort lokalisieren.

PICHTS Betonung von Punkt 3. erscheint in der formalen Iteration des Zeitspiels zunächst als überflüssig, da die Verschränkungen ohnehin als wesentliche Elemente des Spiels anzusehen sind. PICHT versteht jedoch unter Zeitmodiverschränkungen wesentlich den hier auftretenden speziellen Fall der zweistelligen Verschränkungen. Die Betonung der zweistelligen Verschränkungen fordert aus unserer Sicht zu zwei Fragen heraus: a) Welche Bedeutungen haben die einstelligen »Ver-schränkungen« V, G, Z? b) Warum ist es offenbar (...) leichter, die zweistelligen Verschränkungen ins Auge zu fassen und zu interpretieren? PICHTS Antwort ist, dass in der Relationalität der Zwei-stelligkeit der Bezug auf Wahrheit erscheint. Wahrheit ist aber bei PICHT nicht erst eine Sphäre, von der menschliche Kommunikation geprägt ist; er unterscheidet vielmehr zwischen »Kommuni-kation an« und »Kommunikation für«, wobei die Relationalität, die bereits im »an« erscheint, ebenfalls im Verhältnis zum Wahren steht: Die Sonne kommuniziert am Stein (d. h. z. B.: erwärmt ihn), der Baum kommuniziert für den Menschen. Entscheidend ist, dass mit jeder zweistelligen Relation ein Ort der Wahrnehmung in der Zeit mitkonstituiert ist und dass Wahrheit in der Zeit an diesem Ort der Wahrnehmung »Hier und Jetzt« erscheint. Die Weite der Möglichkeiten, die im »für« und »an« anvisiert ist, verweist uns bereits auf das Ganze von Geschichte, bei PICHT auf das Ganze von sich zeitigender Zeit, also auf das Ganze der Natur (»Natur ist alles, was in der Zeit ist«). Die Frage einer Verwandlung des Ortes der Wahrnehmung im Laufe der e-volutiven Geschichte wird uns in IV beschäftigen. Dort werden wir eine eigene Antwort auf die Frage a) und b) versuchen."

 


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